27. August 2014

Alles in Butter?

Gestern stand im Obermain-Tagblatt diese Erfolgsmeldung: "Sorgerecht nur ein Mal entzogen." Das ist sicher ein Erfolg für das Jugendamt und für das Familiengericht: Es gibt keine Scherereien und weniger Arbeit.

Aber nehmen wir einmal die Perspektive der Kinder ein, die weiterhin in gestörten Familien leben müssen. Weiter steht nämlich in dem Artikel, dass schon viel passiert sein müsse, bevor das Sorgerecht entzogen werde: "Gewalt, Drogen, Missbrauch, Krankheit." Das heißt also mit anderen Worten, die Kinder müssen bis aufs Blut gequält, drangsaliert oder missbraucht werden, bevor die Behörden etwas unternehmen.

Kinder tragen bleibende Schäden davon (körperliche und seelische), wenn sie vernachlässigt oder misshandelt werden. Vielleicht denkt niemand daran; aber aus diesen Kindern werden Erwachsene. Oft werden Erwachsene, die als Kinder Gewalt erfahren haben, ebenfalls gewalttätig. Kann sich das unsere Gesellschaft leisten?

Artikel 6 des Grundgesetztes stellt die Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Allerdings steht auch in Absatz 2 dieses Artikels: "Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Mit "ihre Betätigung" ist die Betätigung der Eltern gegenüber ihren Kindern gemeint. Über allem aber steht Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Kinder sind Menschen, damit gilt auch für sie die Unantastbarkeit ihrer Würde.

Dem Zeitungsartikel konnte man noch entnehmen, dass es verschiedene Maßnahmen beim Sorgerechtsentzug gibt. Sie reichen von der Gesundheitsfürsorge bis hin zum Entzug der Personensorge. Bezog sich die Erfolgsmeldung vielleicht nur auf den Entzug der Personensorge oder auch auf die anderen abgestuften Maßnahmen?

In die Schlagzeilen schaffen es nur die besonders krassen Fälle von Vernachlässigung und Kindsmisshandlung. Die hunderttausende Kinder, die still leiden, will kein Jugendamt sehen und hören.

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