27. März 2018

Traurige Zustände in der Stadt der Gesetzlosen

Ich muss heute eine gar traurige Geschichte erzählen. Wenn Sie nah am Wasser gebaut haben, lesen Sie bitte nicht weiter. Apropos Wasser: Es geht in meiner Geschichte um das Wasser, genauer gesagt, um Abwasser, und noch genauer, um die Eigenüberwachung der privaten Abwasserleitungen.

An diese traurige Geschichte wurde ich durch die Frage einer Bürgerin bei der Bürgerversammlung erinnert. Ich bin selbst von diesen Ereignissen betroffen, diese Frage hat daher mein Innerstes wieder aufgewühlt, sodass ich erst jetzt dazu in der Lage bin, die Geschichte ohne Tränen Revue passieren zu lassen.

Es begann im Jahr 2011. Damals wurden die ersten Bürger dazu aufgefordert, ihre Kanäle überprüfen zu lassen. Im Jahr 2016 habe ich mich über die Vorgehensweise bei der Stadtverwaltung informiert. Ich habe dann auch noch Zahlen bekommen: Von 2011 bis Januar 2016 wurden 331 Grundstückseigentümer zur Kanalüberprüfung aufgefordert. Von Januar bis August 2016 wurden sage und schreibe 37 Grundstückseigentümer aufgefordert. Ziel war es, pro Jahr 200 Eigentümer anzuschreiben. Wobei diese Zahl bei ca. 2.200 Grundstücken auch nicht gerade gigantisch ist.

Auf der Bürgerversammlung im Februar 2018 konnte man erfahren, dass bisher insgesamt 468 Eigentümer angeschrieben wurden. 468 Schreiben in 7 Jahren! Dazu muss man wissen, dass die Stadtverwaltung nicht mehr auf alten mechanischen Schreibmaschinen tippt, sondern mit modernen Computern ausgestattet ist. Wenn das rasante Tempo beibehalten wird, wird der letzte Eigentümer in etwa 20 Jahren aufgefordert werden.

Die vorgebrachten Begründungen für das rasante Arbeiten der Verwaltung ist ein wörtliches Zitat aus der Zeitung wert: "Erschwert wurde die Abwicklung, weil die Zahl der angeschriebenen Hausbesitzer zu hoch gewesen, die empfohlene Firma überfordert und Verwaltungsmitarbeiter erkrankt waren."

Die Firma, die mir 2011 empfohlen wurde, hat ihren Sitz in Hersbruck. Ich hatte ihr den Auftrag zur Kanalinspektion erteilt, aber nichts mehr von ihr gehört. Auf Nachfrage teilten sie mir mit, dass sie keine freien Kapazitäten hätten. Zum Glück gibt es aber im Landkreis Lichtenfels ein paar Firmen, von denen eine meinen Auftrag gerne bearbeitet hat.

Der Mitarbeiter, der die Untersuchungsberichte auswertet, war 2016 längere Zeit erkrankt. Er konnte  allerdings nicht ins Beamtenkoma gefallen sein - ganz einfach, weil er kein Beamter ist. Zudem gibt es in der Verwaltung zwei Bauingenieure, die die Unterlagen hätten absegnen können. Dann gibt es noch einen Mitarbeiter, der für die Organisation und den Betrieb der Kläranlage zuständig ist. Auch er hätte die Unterlagen prüfen können.

Art. 3, Abs. 1 Grundgesetz lautet: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Das gilt auch für Burgkunstadt, der Stadt der Gesetzlosen. Man kann beim besten Willen nicht mehr von Gleichbehandlung sprechen, wenn der eine Bürger sofort zur Eigenüberwachung seiner Kanäle verpflichtet wird, der andere erst nach 30 Jahren. Eine schöne Aufgabe, um die sich mal der Stadtrat kümmern soll!

5 Kommentare:

  1. Lieber Herr Weickert, ich war an der Bürgerversammlung anwesend (sie ja leider nicht) und habe mich auch intensiv mit einigen Vorgängen im Rathaus beschäftigt (Wasser/Abwasser, Kanäle, Schulberg, Lehrschwimmbecken) und bin zu dem Schluss gekommen, dass unsere Verwaltung und Stadträte nicht vorsätzlich so handeln. Sie können´s einfach nicht besser. Ich vermute, dass niemand im Rathaus, ob Rat ob Verwaltung Ahnung davon hat, wie man Projekte anpackt und vorantreibt. Sie waren in der freien Wirtschaft und auch vermutlich im Projektgeschäft. Dann wissen Sie, wie man Projekte anpackt. Im Rathaus ist das Wissen aber nicht vorhanden. Vielleicht brauchen wir eher einen Manager-Typen an der Spitze, als irgendwelche Flachpfeifen. Hoffen wir, dass sich zur nächsten Wahl jemand mit entsprechender Erfahrung findet. Denn so kanns nicht weitergehen.

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    1. Die Entschuldigung "Sie können's einfach nicht besser" lasse ich nicht gelten. In der Verwaltung gibt es Beamte mit Leitungsfunktion. Ich gehe davon aus, dass sie ein Studium an der Beamtenhochschule absolviert haben. Wenn sie Leitungsfunktionen übernehmen, müssen sie auch lernen, wie man Projekte steuert und überwacht. Wenn sie das nicht tun, sind sie fehl am Platz. Wenn ich geschäftsleitender Beamter bin, kann ich mich nicht damit herausreden, dass ein Mitarbeiter krank war. Ich muss dann eben die Arbeit anders verteilen.

      Wenn man zum Bürgermeister gewählt wird, muss man sich in Verwaltungsthemen einarbeiten, auch wenn man Lehrer war. Als Bürgermeister ist man Chef der Verwaltung. Bürgermeister sein besteht nicht hauptsächlich darin, Reden zu halten und Freibier zu trinken. Ein Bürgermeister muss ein Manager sein. Auch das kann man lernen.

      Das gleiche gilt für Stadträte. Sie bekommen ihr Sitzungsgeld nicht nur für das Absitzen der Sitzung, sondern dafür, dass sie sich mit der Materie, über die sie Beschlüsse fassen, auseinandersetzen und sich weiterbilden.

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  2. Hallo Herr Weickert. Ich stimme Ihnen zu, dass es so sein sollte. Sie werden aber sicherlich mir zustimmen, dass die Realität anderes zeigt....... ?!

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    1. Ich habe mal gelernt, dass man Mitarbeiter nach Können und Wollen verorten kann: Es gibt Mitarbeiter, die ihre Aufgaben erfüllen können und wollen. Die sollte man pflegen und hegen. Dann gibt es welche, die können aber wollen nicht. Die sollte man motivieren. Die, die wollen aber nicht können, kann man eventuell weiterbilden oder für etwas anderes einsetzen. Von der vierten Gruppe, die, die nicht wollen und nicht können, sollte man sich schleunigst trennen.

      Ich denke mal, es gibt in jeder Organisation von jeder der vier Gruppen Mitarbeiter. Die Verteilung kann in jeder Organisation schwanken. Im öffentlichen Dienst ist die Trennung von den Nichtkönnern-und-Nichtwollern allerdings schwierig.

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  3. Schwer wirds, wenn es sich nicht um Mitarbeiter, sondern um die Führungsebene handelt...... Bürgermeister/in ist ja quasi die Exekutive, Stadtrat die Legislative.....wenn beide Organe nicht können und/oder wollen wirds schwierig/gefährlich....

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