18. Juli 2014

Was Hin- anstatt Wegsehen so alles mit sich bringen kann

Am Dienstag berichtete das Obermain Tagblatt über die Mahnversammlung "Gegen sexuellen Kindesmissbrauch" vor dem Amtsgericht Lichtenfels. Den Veranstaltern und Teilnehmern zolle ich meine Anerkennung. Leider sind die Täter sehr oft in der Familie der Kinder zu finden. Kinder sind nicht nur durch sexellen Missbrauch bedroht, sondern müssen alle Arten körperlicher und seelischer Gewalt erleiden. Auch diese Gewalt gegen Kinder fordert Hinsehen und Handeln.

Leider leben wir in einer Gesellschaft, in der auf den Täter oft mehr Rücksicht genommen wird als auf das Opfer. Das mag an dem Grundsatz Im Zweifel für den Angeklagten liegen, der sicher seine Berechtigung hat; sonst wären willkürlichen Anklagen Tür und Tor geöffnet. Allerdings lassen Organisationen wie der Weiße Ring und der Kinderschutzbund darauf schließen, dass hier etwas im Argen liegt. Private Organisationen müssen sich um die Opfer kümmern, weil der Staat es nicht kann oder will.

Bevor Sie sich zum Handeln entschließen, sollten Sie einiges bedenken. Legale Beweise vorzulegen, ist praktisch unmöglich, außer vielleicht, wenn Sie Journalist sind, wie im Fall der Zwölf Stämme. Bild- und Tonaufnahmen sind, ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten, verboten. Sie dürfen mit dem Kind nicht zum Arzt gehen oder Proben (Haare, Urin) untersuchen lassen.

Wenn Sie Anzeige erstatten, wird das Jugendamt eingeschaltet. Das Jugendamt besucht das betroffene Kind nach Voranmeldung. Wenn keine offensichtlichen körperlichen Verletzungen oder Verwahrlosung vorliegen, ist alles in Ordnung. Die Beschuldigten werden dann gegen Sie vorgehen wegen übler Nachrede oder Verleumdung. Das kann leicht ein paar Tausender kosten.

Zeugen, die Ihnen erzählt haben, dass sie ebenfalls Auffälligkeiten bei dem betroffenen Kind wahrgenommen haben, werden ihre Aussage vor Gericht nicht wiederholen, weil die Beschuldigten doch sehr nette Menschen sind und sie persönlich nichts gegen sie haben. Zudem kann die Auffälligkeit ja auch eine Ausnahme gewesen sein.

Vielleicht bekommt das Kind einen Verfahrensbeistand. Das ist ein Anwalt, der die Interessen des Kindes vertreten soll. Leider ist er kein Kinderpsychologe. Auch der Sachverständige, der das Kind begutachten soll, ist nur Psychologe, kein Kinderpsychologe. Wenn Verfahrensbeistand und Gutachter ihre Aufgabe ernst nehmen, werden sie Gespräche mit allen Beteiligten führen. Wenn Sie Pech haben, werden Sie nicht gehört, weil der Verfahrensbeistand sich auf die Aufzeichnungen seines Vorgängers verlässt.

Wie im Artikel erwähnt, tritt dann die Verharmlosung in Kraft. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein sechsjähriges Kind sich einnässt, einkotet oder stottert, obwohl es mit dreieinhalb Jahren sauber war und problemlos sprechen konnte. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn ein Vierjähriger nur schwarze Kreuze malt oder sich bei jedem Besuch der Toilette einsperrt oder sich nur noch baden lässt, wenn er seinen Penis mit einem Waschlappen abdecken kann. Wenn Sie diese Dinge den Behörden erzählen und einen Zusammenhang zwischen den Vorkommnissen herstellen wollen, kann man Ihnen Belastungseifer unterstellen.

Wenn Sie also vermuten, dass einem Kind körperliche oder seelische Gewalt angetan wird, Sie die vorstehenden Absätze gelesen haben, und sich doch noch für das betreffende Kind einsetzen, dann sage ich: Respekt!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen