Stellen Sie sich vor: Es gibt jemand, der eine Freiflächenphotovoltaikanlage bauen will, um die Energiewende voranzutreiben, aber der Stadtrat lehnt den Bau ab. Gibt's nicht? In Burgkunstadt schon. Sogar eine Bürgerbeteiligung bot der Betreiber an und Gewerbesteuer hätte es auch noch ein bisschen gegeben. Die Entscheidung fiel den Räten anscheinend leicht, weil sie eine Bewertungsmatrix zur Entscheidungsfindung haben. Ich habe in meinem Berufsleben auch mit Bewertungsmatrizen gearbeitet. Wer aber glaubt, dass eine Bewertungsmatrix dem Entscheider das Denken abnimmt, ist auf dem Holzweg.
In einer Bewertungsmatrix werden Kriterien aufgelistet, die für die Entscheidung wichtig sind. Man kann die einzelnen Kriterien verschieden gewichten. Wenn beispielsweise das Kriterium "Potenzielle Erweiterungsflächen für Wohnbebauung" besonders wichtig ist, kann man auch festlegen, dass die Punktevergabe nicht von 0 bis 2, sondern von 0 bis 5 erfolgen soll. In der Bewertungsmatrix für Photovoltaikanlagen sind anscheinend alle Kriterien gleich wichtig.
Wie gut oder schlecht eine Bewertungsmatrix ist, hängt von den berücksichtigten Entscheidungskriterien ab, von der Gewichtung der Kriterien und natürlich von der Beurteilung der Kriterien. Beispielsweise ist es subjektive Ansichtssache, ob das Ortsbild durch eine Photovoltaikanlage beeinträchtigt wird oder nicht.
Man kann sogar eine Bewertungsmatrix so gestalten, dass unter allen Umständen das gewünschte Ergebnis herauskommt. Ich hatte mal einen Chef, der meine Arbeitsgruppe an der Gewichtung und den Kriterien unserer Bewertungsmatrix so lange herumfummeln ließ, bis die Matrix das von ihm gewünschte Ergebnis widerspiegelte.
Ich kann Stadtrat Sebastian Callens nur beipflichten: Der Leitfaden für die Freiflächenanlagen muss dringend überarbeitet werden. Die Vorteile der Anlagen werden beispielsweise in der Bewertungsmatrix überhaupt nicht berücksichtigt. In der Matrix sind zudem Kriterien enthalten, die nie zutreffen: "Flächen an Autobahnen, Bahnstrecken, Hochspannungstrassen etc." Diese sind nämlich in der Übersichtskarte von vorne herein ausgeschlossen.
Flächen in Wasserschutzgebieten und vorbelastete Flächen gibt es sehr wenige. Nachdem die Flächen an Verkehrswegen sowieso ausgeschlossen sind, können mit den ersten drei Kriterien der Entscheidungsmatrix in der Regel keine Punkte erzielt werden. "Flächen, die kaum einsehbar sind ..." gibt es nicht, außer sie liegen hinter Büschen oder im Wald. Also wieder Null Punkte. Und so geht es mit den Kriterien der Bewertungsmatrix weiter.
In ihrer Argumentation gegen die Anlage griffen die Energiewendeverhinderer auch auf Argumente zurück, die im Leitfaden gar keine Rolle spielen. So befürchtete dritter Bürgermeister Manfred Hofmann, die Fortführung der Flurbereinigung könnte durch die Anlage gefährdet werden. Und Stadtrat Thomas Müller warnte vor einer Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen. Warum das so schrecklich sein sollte, kann ich mir nicht erklären. Ich habe bisher gedacht, dass riesige Monokulturen eher eine Gefahr für die Insekten darstellen und dass sich die Tierchen über ein paar Blüten zwischen den Solarpanelen freuen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen