Das Obermain-Tagblatt hat ein Interview mit dem Geschäftsführer der bayerischen Regiomed-Einrichtungen, Robert Wieland, geführt. Wieland beherrscht die Sprache Manager-Sprech in Perfektion. Wenn man das Interview liest, bekommt man den Eindruck, alles halb so schlimm, wir werden das Kind schon schaukeln - und das Wichtigste: Alles war Schicksal, niemand ist verantwortlich!
Der Aufsichtsrat wurde regelmäßig durch die Geschäftsführung informiert, erste negative Prognosen ergaben sich im September 2018 und sofort wurde gegengesteuert. Hier spürt man direkt das Schicksalhafte: negative Prognosen ergaben sich. Keiner hat gepennt! Oder um dem Schicksalhaften mehr gerecht zu werden: Sie wurden vom Geist überschattet und gebaren eine negative Prognose. Und zudem war alles so schwierig, nein, nicht nur schwierig, sondern "sehr, sehr schwierig". Naja, einen Schuldigen gab es vielleicht: "Die unzureichende Datenlage innerhalb der komplexen Unternehmensstruktur
hat eine frühere und belastbare Prognose offensichtlich nicht
zugelassen." Schon Ovid wusste: "Ratio fatum vincere nulla valet (Keine Berechnung kann das Schicksal besiegen.)."
Der Aufsichtsrat war natürlich prima, Wieland wäre auch ein Idiot, wenn er das Gremium, das ihn feuern kann, als unfähig bezeichnen würde. Der Neustadter Oberbürgermeister und Vorsitzende der Coburger SPD-Kreistagsfraktion, Frank Rebhan, forderte: "Wir müssen eine Firma mit fast 5000 Mitarbeitern und 400 Millionen Euro
Jahresumsatz professionell aufstellen. Dazu gehört, dass der
Aufsichtsrat Kontrollkompetenz hat auch gegenüber den Gesellschaftern
und dass er mit Fachleuten besetzt wird." Anscheinend ist der Aufsichtsrat doch nicht so kompetent.
Hier sind ein paar bekannte Phrasen aus dem Interview für das Bullshit-Bingo: umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, durchweg positive Ergebnisse, Optimierung der Ressourcen und Prozesse, Vernetzung, nachhaltige Wirtschaftlichkeit. Erwartet man das nicht von einem hochbezahlten Geschäftsführer? Aber wie sehen die durchweg positiven Ergebnisse aus? Wie werden Ressourcen und Prozesse optimiert, wie wird nachhaltig gewirtschaftet?
Wieland verweist als große Errungenschaft auf einen Fünfjahresplan, der alles richten soll. Regiomed ist eine GmbH, an der Kommunen und Landkreise beteiligt sind. Die Landkreisordnung fordert für solche Unternehmen in Art. 82 eine fünfjährige Finanzplanung: "Gehören dem
Landkreis Anteile an einem Unternehmen in dem in § 53 des
Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) bezeichneten Umfang, so hat er darauf hinzuwirken, dass
in sinngemäßer Anwendung der für Eigenbetriebe geltenden Vorschriften
für jedes Wirtschaftsjahr ein Wirtschaftsplan aufgestellt und der
Wirtschaftsführung eine fünfjährige Finanzplanung zugrundegelegt wird." Gab es diese Pläne bisher und hat sie jemand auf Plausibilität geprüft? Anscheinend nicht.
Humor hat er auch, der Herr Geschäftsführer: "Das, was andere – Private – als Rendite erwirtschaften müssen, können
wir in die Gesundheitsversorgung unserer Bürger reinvestieren" Ein paar Jahre lang wird er wohl keine Rendite in die Gesundheitsvesorgung unserer Bürger reinvestieren, die Bürger werden vielmehr in Regiomed investieren müssen
Und dann gibt's ja auch noch Mitarbeiter: "Die Mitarbeiter müssen keine Angst haben, wenn sie sich auf die
Veränderungen einlassen. Die Situation zwingt uns zu Veränderungen – das
muss jedem bewusst sein." Die Mitarbeiter, die man nicht mehr braucht, haben halt Pech, weil sie sich nicht auf Veränderungen eingelassen haben, welche Veränderungen das auch immer sein mögen.
Und zu guter Letzt ein paar salbungsvolle Worte für die Patienten: "Die Patientenzufriedenheit und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den
niedergelassenen Ärzten und Kooperationspartnern ist uns im Rahmen der
Neuorganisation ein sehr wichtiges Anliegen. Ich bin überzeugt, dass die
aktuellen Meldungen zur angespannten wirtschaftlichen Lage leider die
hohe medizinische Qualität in den Schatten stellt." Es wird schon einen Grund haben, wenn Patienten und Ärzte Regiomed meiden.
Um ein Unternehmen zu sanieren, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Senken der laufenden Kosten und/oder die Einnahmen erhöhen. Die Chefärzte sollen die niedergelassenen Ärzte bequatschen, dass sie ihre Patienten in Regiomed-Kliniken einweisen. Wenn das Erfolg hat, ist mit höheren Einnahmen zu rechnen. Besser wäre es natürlich, die Chefärzte würden die Versorgungsqualität erhöhen und sich um ihre Patienten kümmern. Es kann sein, dass durch solche Aktionen auch der ein oder andere Chefarzt sich was besseres sucht.
Kosten kann man senken durch weniger Wasser- und Energieverbrauch, Einsparungen bei Dienstreisen und Fortbildungen, aber der größte Kostenfaktor ist natürlich das Personal. Das muss natürlich keine Angst haben - wenn es sich auf Veränderungen einlässt.
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